Bohlsen, 10. Januar 2023. Der Projektbeirat Alpha-E hatte im Rahmen des
Informationsfreiheitsgesetzes am 10. Juni 2022 eine Anfrage zum Planungsauftrag für das
„Optimierte Alpha-E + Bremen“ an das Bundesministerium für Digitales und Verkehr
(BMDV) gestellt. „Von dort erhielten wir die Auskunft, dass es keinen schriftlichen Auftrag
aus dem Bundesministerium gebe. Wir wurden aber diesbezüglich an das
Eisenbahnbundesamt (EBA) verwiesen und haben über dieses schließlich im Dezember
2022 eine Antwort erhalten. Dabei handelt es sich um ein als „Planungsauftrag für die
Leistungsphasen 1 und 2“ überschriebenes Dokument. Hierzu haben wir weitere
Nachfragen gestellt, müssen aber auch hier mit einer längeren Bearbeitungszeit rechnen,
so dass wir mit dieser Presseinformation über den aktuellen Sachstand berichten möchten“,
so Dr. Peter Dörsam und Joachim Partzsch, Sprecher des Projektbeirates.
Es handelt sich bei dem Planungsauftrag vom 12. August 2017 um eine Beauftragung der
entsprechenden Planungsabteilung der DB Netz AG durch die Zentrale der DB Netz AG.
Allerdings erfolgt diese Beauftragung in Abstimmung mit dem Eisenbahnbundesamt und ist
nach den Auskünften, die der Projektbeirat bekommen hat, als Beauftragung für dieses
Projekt zu verstehen. Folgende zentralen Aussagen ergeben sich aus dem Dokument:
- Aus dem „Planungsauftrag“ ergibt sich keinerlei Legitimation für eine Planung einer
bestandsfernen Trasse (z.B. einer Trasse in der Nähe der A 7). Die Beauftragung
beschränkt sich auf Teile der Bestandsstrecke und vor allem bestandsnahe
Neubauvarianten. - Bei der Auflistung der Streckenabschnitte ist eine Beauftragung für eine
Neubaustrecke von Radbruch bis Suderburg enthalten, die Abschnitte zwischen
Radbruch und Deutsch Evern sowie Bienenbüttel und Suderburg sind sogar nur als
Neubaustrecken beauftragt. Damit wurde bei der Beauftragung bereits eine
mindestens 45 km lange Neubaustrecke vorgegeben. Dies deckt sich keinesfalls
mehr mit dem im Bundesverkehrswegeplan festgelegten Bestandsausbau mit
möglichen Ortsumfahrungen - Die verbliebene Ausbaustrecke von Deutsch Evern bis Bienenbüttel wurde mit einem
Geschwindigkeitsprofil von 250 km/h versehen. Durch diese Vorgabe wird der
Bestandsstreckenausbau insbesondere in den Bahnhöfen sehr aufwendig und die
Nutzen-Kosten-Relation verschlechtert sich deutlich.
Eine Einschätzung zu einzelnen Punkten: - Die Planung einer bestandsfernen Variante widerspricht direkt den Vorgaben aus
dem Bundesverkehrswegeplan, der nach Auskunft des BMDVs (Anlage 2) die
gesetzliche Grundlage bildet und eine „Verschriftlichung des Planungsauftrags
seitens des BMDV“ erübrigt. Auch der mit dem EBA abgestimmte Planungsauftrag
liefert keinerlei Grundlage für die Planung einer derartigen Strecke. Bei einer
Podiumsdiskussion in Seevetal am 15. November 2022 antwortete Herr Limprecht
(Leiter Infrastrukturprojekte Norddeutschland der DB Netz AG) auf die Frage nach
der Beauftragung für die Planung der bestandsfernen Trassen, dass diese
Beauftragung auf der „Arbeitsebene“ erfolgt sei. Generell stellt sich die Frage, wie
zentrale Vorgaben des Bundesverkehrswegeplans einfach auf der Arbeitsebene
geändert werden können. Darüber hinaus hat der Projektbeirat, wie bereits erwähnt,
seitens des BMDV die Aussage erhalten, dass es keine Beauftragung durch das
BMDV gibt, und die mit dem EBA abgestimmte Beauftragung sieht eine
bestandsferne Streckenführung nicht vor. - Das „Optimierte Alpha-E + Bremen“ sieht den Bestandsstreckenausbau mit
möglichen Ortsumfahrungen vor. Die Beauftragung ergibt aber mindestens 45 km
Neubaustrecken. Bei der Ausbaustrecke zwischen Deutsch Evern und Bienenbüttel
wird zudem ein Geschwindigkeitsprofil von 250 km/h beauftragt, was die Planungen
im Bestand erheblich erschwert. Angesichts der Beauftragung erklärt sich, dass die
DB Netz AG den Bestandsstreckenausbau in der „Gläsernen Werkstatt“ nicht mit
dem erkennbaren Willen, Lösungen zu finden, untersucht hat und, dass seitens der
DB Netz AG aktuell mitgeteilt wurde, dass die Bestandsstreckenvariante nicht auf
Vorplanungsniveau untersucht wurde.
Fazit: Die DB Netz AG plant im Auftrag des Bundes und mit dessen finanziellen Mitteln. Trotzdem hat sie sich selbst den Planungsauftrag erteilt, wenn auch in Abstimmung mit dem EBA. „Der eigentliche Bestandsstreckenausbau wurde bereits mit dem Planungsauftrag verworfen. Wir sind erschrocken darüber, dass sich die DB Netz AG von Anfang an nicht an die gesetzlichen Vorgaben des Bundeschienenwegegesetzes in Verbindung mit dem Bundesverkehrswegeplan gehalten hat. Darüber hinaus wurden sogar Vorplanungen für bestandsferne Strecken erstellt, die gar nicht beauftragt wurden. Uns stellen sich deshalb Fragen, die dringend einer Antwort bedürfen“, so die beiden Sprecher: ➢ Wer formuliert üblicherweise Aufträge für große Schienenprojekte, wer bringt sie auf den Weg und wer kontrolliert die Umsetzung? Entspricht die sich aus dem Planungsauftrag ergebende Praxis den Erwartungen des BMDV? ➢ Ist es zulässig, dass „die Arbeitsebene“ einen Auftrag erteilt, der den gesetzlichen konterkariert, welcher sich für alle Vorhaben des Bedarfsplans Schiene aus dem Bedarfsplan im Zusammenhang mit der Bewertung des jeweiligen Vorhabens im Bundesverkehrswegeplan ergibt? ➢ Welche Informationen hat der jeweilige Bahnbeauftrage der Bundesregierung bzw. der Minister über diese Vorgänge und wie bewertet er sie? Aktuell hat die DB Netz AG ihre Untersuchungsergebnisse an das Bundesverkehrsministerium weitergeleitet und favorisiert nach nicht dementierten Presseinformationen eine bestandsferne Neubauvariante über Soltau nach Celle. Die konstruktive Prüfung des Bestandsstreckenausbaus ist aber offensichtlich gar nicht erfolgt. Damit wurde durch die DB Netz AG keine hinreichende Grundlage für eine Entscheidung über die Strecken geschaffen. Zielführend für den Bestandsstreckenausbau ist eine Variante, die Geschwindigkeitsvorteile vor allem auf freier Strecke hebt, im Bereich der Bahnhöfe sich aber auf das sinnvoll machbare beschränkt. Hier sollten die Geschwindigkeiten also nur soweit angehoben werden, dass sich die Planung fast ausschließlich im vorhandenen Gleisbett bewegt und der Abriss von Gebäuden damit weitestgehend ausgeschlossen werden kann. Einen derartigen Planungsansatz hat das Büro Vieregg Rössler vorgelegt. Die sogenannte Alpha-Variante E sieht einen Ausbau von Bestandsstrecken im Dreieck Bremen-Hamburg-Hannover vor. Die Teilnehmer des Dialogforum Schiene-Nord (DSN) haben im Jahr 2015 gemeinsam Alpha-E zu einer kapazitiv und wirtschaftlich tragfähigen Lösung entwickelt. Im Rahmen der Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans wurde Alpha-E optimiert. Das optimierte Alpha-E wurde als Projekt des Vordringlichen Bedarfs in den Bundesverkehrswegeplan 2030 aufgenommen. Aufgabe des Projektbeirates Alpha-E ist insbesondere die Realisierung der Bedingungen der Region (unter anderem bestmöglicher Gesundheitsschutz / Lärmschutz der Betroffenen, gleichzeitige Verbesserung des Schienenpersonennahverkehrs). Der Projektbeirat setzt sich aus acht Vertretern von betroffenen Kommunen und Landkreisen und acht Vertretern der Bürgerinitiativen zusammen und ist unabhängig von Bund, Land und Deutsche Bahn AG. Er sieht sich als Vertreter und Ansprechpartner für alle Betroffenen an den Ausbaustrecken und an den Bestandsstrecken mit zunehmenden Güterverkehren.