Deutschlandtakt: Projektbeirat Alpha E kritisiert Gutachterentwurf / Neubautrasse weiterhin Favorit der Bahn
Christopher Menge
CELLE. Zu einer „klaren Vereinbarung inklusive Zeitplan“ will das Land Niedersachsen mit Bund und Deutscher Bahn kommen. Das hat Verkehrsminister Olaf Lies den Vertretern der Bürgerinitiativen am Freitag beim Statustreffen Alpha E im Celler Tor in Groß Hehlen versprochen. Und er stellte klar: „Wir wollen nicht irgendwas umsetzen – wir wollen Alpha E.“ Es sei „erschreckend, wo wir acht Jahre nach dem Dialogforum Schiene Nord stehen.“ Nun müsse man Lösungen finden. „Es bringt nichts, Milliardenprojekte in die Welt zu setzen“, betonte der Minister. Man müsse sich auf das Machbare, Sinnvolle beschränken. Doch bei der Bahn hält man nach wie vor eine Neubaustrecke entlang der A7 und der B3 durch den Landkreis Celle für sinnvoll.
Auf Nachfrage von Lüneburgs Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch (Grüne) bestätigte Jan Lange von der DB Netz, dass die Aussage von Frank Limprecht vom Statustreffen im vergangenen Jahr nach wie vor Bestand habe. Der Leiter Großprojekte bei der DB Netz AG Regionalbereich Nord hatte in der Celler Congress Union gesagt, dass von den vier Varianten nur die Neubautrasse durch den Landkreis Celle alle Bedingungen – verkehrlich engpassfrei, betrieblich optimal und ein gesetzlich vorgegebenes Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) von mindestens 1 – erfülle. Limprecht hatte die Teilnahme am diesjährigen Statustreffen aus persönlichen Gründen kurzfristig abgesagt.
Die Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn, Ute Plambeck, die seit November auch für Niedersachsen und Bremen zuständig ist, versprach „größtmögliche Transparenz“. Um die Ziele der Mobilitätswende zu erreichen, gebe es bei der DB AG zwei große Säulen. Absolute Priorität habe die Sanierung des Bestandsstreckennetzes. Von den sogenannten Hochleistungskorridoren seien 14 im Norden, darunter die Strecke Hannover–Hamburg. Mit Blick auf den Deutschlandtakt müsse man mit den Daten der Verkehrsprognose zudem prüfen, wo die Infrastruktur nicht ausreiche. „Wie bauen wir aus, um eine nachhaltige Mobilitätswende zu erreichen?“, fragte Plambeck. Gleichberechtigt sehe sie hier den Personenfern- und einen leistungsfähigen Nahverkehr.
Joachim Partzsch, Sprecher des Projektbeirates Alpha E, forderte, sich wieder auf das „Ur-Alpha“ zu beziehen und die Beschlüsse aus dem Abschlussdokument umzusetzen. Dazu gehöre ein drittes Gleis zwischen Lüneburg und Uelzen. Die Bahn plant hier inzwischen mit einem vierten Gleis. Vier Gleise durch Lüneburg werde es aber nicht geben, betonte Minister Lies, der auch die Lüneburger mitnehmen will.
Partzsch kritisierte zudem, dass es bei der Strecke Rotenburg–Verden trotz Beschluss des Deutschen Bundestages im Juni 2021 nicht wirklich vorangehe. „Man hat den Eindruck, dass einer auf den anderen wartet“, sagte das Projektbeirat-Mitglied mit Blick auf fehlende Zusagen zur Kostenübernahme, veraltete Stellwerke und Brücken unter Denkmalschutz. „Wir brauchen diese Strecke, es ist eine wichtige Umleitungsstrecke, gerade bei der Generalsanierung.“ Er habe allerdings gehört, dass die Strecke erst ab 2028/29 gebaut werde. Der Ausbau soll bei optimalen Bauablauf mit Vollsperrung drei Jahre dauern.
Birger Neumann, Bahn-Projektleiter für den Abschnitt Rotenburg–Verden, entgegnete allerdings, dass es sehr wohl vorangehe. Man arbeite die Punkte ab. Das Problem der unter Denkmalschutz stehenden Brücken sei beispielsweise gerade gelöst worden.
Ein Problem gibt es aber weiterhin – der dritte Entwurf des Fahrplangutachtens zum Deutschlandtakt. „Der ist wie ein trojanisches Pferd“, kritisierte Peter Dörsam, Sprecher des Projektbeirates. Der Entwurf werde als „Totschlagsargument gegen die anderen Varianten“ genutzt. Man müsse diesen Entwurf weiterentwickeln. „Er darf nicht mehr dafür genutzt werden, um andere Dinge zu blockieren“, betonte Dörsam.
Er präsentierte Zahlen, nach denen „nur 11 Prozent der Fahrten auf der Neubaustrecke zusätzlich“ seien. Während nach dem dritten Gutachterentwurf zwölf Millionen Personenfahrten pro Jahr über die Neubaustrecke laufen sollten, würden die Personenfahrten auf der Bestandsstrecke Hamburg–Hannover (-8,3 Millionen) und Hamburg–Bremen (-2,4 Millionen) gleichzeitig sinken. Die effektive Zunahme liege also bei 1,3 Millionen Personenfahrten pro Jahr.
„Die Generalsanierung ist eine riesige Herausforderung, denn sie bedeutet Streckensperrungen“, sagte Dörsam. „Für die Strecke Hamburg–Hannover ist sie aber auch eine große Chance, die von der DB Netz AG bereits 2011 festgestellte Überlastung der Strecke zwischen Uelzen und Stelle endlich zu beseitigen.“ Zwischen Stelle und Lüneburg würden derzeit zwei Gleise nach Süden und nur ein Gleis nach Norden genutzt. Hier müssten die fehlenden Weichen eingebaut werden, damit in beide Richtungen die gleiche Leistungsfähigkeit gegeben ist und Überholungen möglich sind.
Hoffnung, dass auch in Niedersachsen Projekte schnell umgesetzt werden können, macht dem Projektbeirat der Bau einer 26 Kilometer langen Gasleitung von Wilhelmshaven nach Etzel. Dort sei zehnmal so schnell wie üblich gebaut worden. Ein ähnliches Tempo bräuchte man auch bei der Planung der Generalsanierung XXL. Doch erstmal muss Minister Lies das alles mit Bund und Bahn aushandeln
Quellenangabe: Cellesche Zeitung vom 19.12.2023, Seite 16